Zum Thema "BÜRGERVERSICHERUNG"

Kutteln oder Kaviar?

"Viele sind der Auffassung, man müsse die Einnahmebasis verbreitern, dann könnten wir das alte System retten. Dann werden Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer oder Anhebung der Mehrwertsteuer diskutiert. Man will alle Bürger in die Umverteilungssysteme hineinbringen; aber Systeme, die auf kollektiver Umverteilung basieren, laufen irgendwann gegen die Wand. Da ist zum einen das demographische Problem; zum anderen sind die Leute nicht mehr so sehr daran interessiert, ihre persönlichen Probleme zu lösen, sondern daran, wie sie die Systeme ausschöpfen können. Das ist völlig normal. Ein Kollege von mir, Alfred Eugen Ott im schwäbischen Tübingen, machte mit seinen Studenten ein interessantes Experiment. Zu Anfang des Semesters lud er sie ein und sagte, ich spendiere Wein und Flüssiges und das Essen übernimmt jeder selbst. Da haben sich alle gefreut und haben - sparsam wie die Schwaben nun einmal sind - Kutteln bestellt, eine grobe Wurst oder Maultaschen. Am Ende des Semesters hat Ott das Experiment variiert: Ich lade wieder ein zu Getränken, aber das Essen legen wir diesmal um. Da haben sich die Studenten gesagt: Wenn alles umgelegt wird, dann hat es keinen Sinn, für mich zu sparen; sie haben die Speisekarte von oben nach unten durchgegessen. Wenn sie gespart hätten, hätten sie es für die anderen getan. Jeder wollte viel ausgeben, um möglichst viel zu bekommen.

So funktionieren unsere Sozialsysteme:

Jeder versucht, sie auszuschöpfen. Es hat dann keinen Sinn, einen Aufpasser neben die Leute zu stellen, um Mißbrauch vorzubeugen. Wenn die Vorschriften zu Mißbrauch einladen, dann muß man mit Mißbrauch rechnen.

Daß wir Deutschen so oft und lange krank sind - die individuellen Fehltage sind Weltspitze -, dann hängt das nicht damit zusammen, dass wir ein schwächliches und krankes Volk sind, sondern dass wir Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben. Es ist menschlich, dass man am Wochenanfang mal Krankheit ´nachfragt´, wenn man zu lange und zu ausgiebig gefeiert hat."

Prof. Joachim Starbatty,

Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Tübingen und Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft in :"Criticón"